Wer Japan privat oder geschäftlich besucht, trifft auf viele schlummernde Menschen: In der U-Bahn, dem Parlament oder während geschäftlicher Meetings dösen viele Japaner einfach vor sich hin. Selbstverständlich kommt das dem ruhelosen Europäer erst einmal merkwürdig vor. Allerdings gibt es gute Gründe, das strategische Schlafen Inemuri zu lernen. Studien belegen nämlich, das selbst kurze Nickerchen die Leistungsfähigkeit erhöhen und gut für die Gesundheit sind.
Das Wichtigste zu Inemuri in aller Kürze
- Der Begriff Inemuri bedeutet – frei übersetzt – etwa soviel wie „anwesend aber schlafend“
- Inemuri steht in Japan für einen kurzen Powernap in der Öffentlichkeit
- In Japan ist Inemuri sogar auf der Arbeit, in geschäftlichen Meetings oder in der U-Bahn möglich und anerkannt
- Japaner nutzen mit Inemuri jede Gelegenheit, um ein oft vorhandenes Schlafdefizit auszugleichen
Inhalt des Artikels
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Was ist Inemuri?
Die ganze Welt wird scheinbar immer ruheloser: Supermärkte sind rund um die Uhr geöffnet, sogar in Spanien stirbt die Siesta aus und in China, wo ein „Ausruhrecht“ verfassungsmäßig garantiert war, raubt die Arbeit vielen den Schlaf. Eine durchaus beunruhigende Entwicklung. Schließlich weisen Ärzte immer wieder darauf hin, dass der Körper etwa sieben bis neun Stunden Schlaf benötigt, um gesund und leistungsfähig zu sein.
Dass der Körper ausreichend Schlaf braucht, ist selbstverständlich auch in Japan bekannt. Zudem haben die Menschen dort, was Schlaf zum Energie- Tanken angeht, einen entscheidenden Vorteil: In asiatischen Ländern sowie in Indien gehört polyphasisches Schlafen quasi zum Kulturgut. Das bedeutet: Eher kurze Schlafphasen in der Nacht werden hier durch weitere Schlafeinheiten, kurze Nickerchen und Powernapping ergänzt. Auch wer in der Nacht nicht ausreichend ruht, hat so tagsüber die Möglichkeit, sich „fit zu schlafen“.
Eine besondere, traditionelle Form des „Fitschlafens“ stellt dabei der sogenannte Inemuri dar. Das Wort Inemuri bedeutet etwa soviel wie „anwesend sein aber schlafen“. Die Form des Ruhens ist – zum Erstaunen vieler Europäer – gesellschaftlich akzeptiert und anerkannt.
Wie geht Inemuri und strategisches Schlafen genau?
Inemuri ist in Japan quasi an jedem Ort möglich. In der Öffentlichkeit schlafen? Das ist hier kein Problem. Dementsprechend findet man schlummernde Japaner sowohl in der U-Bahn, auf einer Bank im Park wie auch in einem geschäftlichen Meeting vor. Inemuri ist gesellschaftlich anerkannt und setzt keinen besonderen Ort oder gar eine Inemuri-Liege voraus. Vielmehr ist es quasi immer und überall „erlaubt“, kurz die Augen zu schließen und sich auszuruhen.
Allerdings ist Inemuri dabei nicht nur gesellschaftlich akzeptiert und zeigt, dass der Ruhende sich zuvor voll für seine Aufgaben eingesetzt hat. Vielmehr zeigen wissenschaftliche Untersuchungen außerdem, dass das Ruhen zwischendurch durchaus sinnvoll und gesund ist:
Sogar die National Sleep Foundation aus den USA wirbt aktiv für Powernapping. Die Organisation weist darauf hin, dass das Schließen der Augen für eine Dauer von 20 bis 30 Minuten bereits zu deutlich spürbarer Erholung beiträgt – rund 20 Minuten sind darum die ideale Inemuri-Dauer. Außerdem ergibt sich auch aus einer Studie der Nasa – die durchaus als Studie zu Inemuri angesehen werden kann – , dass ein kurzer 40-Minuten-Schlaf Leistungsfähigkeit und Wachheit deutlich verbessert.
Entsprechend dieser Erkenntnisse funktioniert auch Inemuri: Um einen Abfall der Leistungsfähigkeit sowie eine hohe Fehlerquote bei der Arbeit zu vermeiden, legen Japaner in der Öffentlichkeit, in Meetings oder am Arbeitsplatz oft einfach einen 10 bis 20-minütigen Powernap ein. Mit oder ohne Musik werden dabei entweder lediglich die Augen geschlossen oder sogar – wenn möglich – wirklich geschlafen.
Warum ist öffentliches Schlafen in Japan kein Problem?
Für das japanische Phänomen des Schlafens in der Öffentlichkeit gibt es mehrere Gründe. Zum einen zeigen Untersuchungen, dass Japaner pro Nacht meist weniger als 7 Stunden schlafen. Das stellt für die meisten Menschen einen Schlafmangel dar und hat zur Folge, dass tagsüber gerne jede Gelegenheit genutzt wird, um sich kurz zu erholen. Dieses Problem der zu kurzen Nächte ist in Japan derart bekannt, dass sich niemand dafür entschuldigen muss, sich kurz öffentlich auszuruhen.
Hinzu kommt außerdem, dass viele Japaner eher beengtes Wohnen gewöhnt sind. Oft leben ganze Familien in einer kleinen 1- oder 2-Zimmer-Wohnung. Aufgrund dieser – aus unser Sicht – beengten Wohnverhältnisse sind es viele Japaner von klein auf gewohnt, quasi überall schlafen zu können. Licht, Außengeräusche oder die Stimmen anderer machen ihnen dabei wenig aus und sie können auch in unruhiger Umgebung problemlos abschalten.
Darüber hinaus ist außerdem der Leistungsdruck in vielen asiatischen Ländern besonders groß. Viele Menschen in Führungspositionen müssen Überstunden leisten oder sogar bis in die Nacht hinein arbeiten. Es verwundert darum wenig, dass ein Nickerchen zwischendurch notwendig und akzeptiert ist.
Die Inemuri-Anleitung: Inemuri-Tipps für Anfänger
Wer sich im Berufsalltag oft abgeschlagen fühlt, unter dem bekannten Mittagstief leidet oder weitere Strecken mit Bus und Bahn zurücklegt, kann sich von der japanischen Schlafkultur einer Scheibe abschneiden. Schließlich ist ein kurzer Inemuri-Powernap durchaus auch in der Mittagspause oder in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit möglich. Allerdings ergeben sich für Europäer zu Beginn meist einige Fragen rund um Inemuri: Wie lange darf dabei geschlafen werden und wann ist für Inemuri die optimale Zeit?
Die Antworten auf diese Fragen sind überraschend einfach: Bei Inemuri gibt es keine festen Regeln. Noch nicht einmal „echter“ Schlaf ist für den Erholungseffekt des kurzen Nickerchens nötig. Vielmehr lassen sich leistungssteigernde Effekt auch dann erzielen, wenn lediglich für einige Zeit die Augen geschlossen und eine bewusste Ruhepause eingelegt wird. „Echtes Einschlafen“ ist dafür nicht unbedingt erforderlich. Vielmehr reicht es aus, wenn nötig und passend, einfach bewusst die Augen für etwa 10 bis 30 Minuten zu schließen. Das senkt das Stresslevel und sorgt für passive Entspannung.
Selbstverständlich lässt sich der regenerierende Inemuri-Effekt steigern, wenn während der kurzen Ruhepause wirklich geschlafen wird. Wer das jedoch nicht auf Knopfdruck kann, kann sich beispielsweise mit progressiven Muskelentspannungsübungen helfen oder seine Umwelt mit Musik ausblenden.
FAQ – Häufig gestellte Fragen
Was ist Inemuri?
Unter dem Begriff Inemuri wird eine insbesondere in Japan übliche Form des öffentlichen Schlafens verstanden. In Japan und in anderen asiatischen Ländern ist es nämlich normal, sich während Meetings, in der Mittagspause oder in der Bahn mit geschlossenen Augen auszuruhen. Meist ist der Schlaf dabei allerdings so flach, dass eher von einer Art Dösen die Rede sein müsste.
Kann man Inemuri lernen?
Viele Japaner und Chinesen sind an eher beengte Wohnverhältnisse gewöhnt. Viele Menschen müssen sich relativ kleine Wohnräume teilen und lernen darum von klein auf, auch bei Licht oder Lärm schlafen zu können. Im Erwachsenenalter fällt es ihnen darum leichter, an öffentlichen, lauten Orten abzuschalten. Selbstverständlich ist es aber möglich, Inemuri und damit das Ausruhen auch an ungewohnten oder öffentlichen Orten auch noch später zu erlernen.
Quellen
Schmitt, Uwe: Schlafen lernen von den Japanern, in https://www.welt.de/wissenschaft/article887882/Gesundheit-Schlafen-lernen-von-den-Japanern.html, Stand: 22.05.2007 (zuletzt abgerufen am 24.06.2020)
JapanweltBlog: Inemuri – die japanische Kunst des „strategischen Schlafes“, in https://www.japanwelt.de/blog/inemuri-japanisch-schlafen, Stand: 24.07.2019 (zuletzt zugegriffen am 24.06.2020)
Redaktion: Japaner und der „Inemuri“ – der kurze und kraftvolle Energieschlaf, in: https://www.einfach-gesund-schlafen.com/allgemein/japaner-und-der-inemuri-der-kurze-und-kraftvolle-energieschlaf, Stand: 13.05.2016 (zuletzt zugegriffen am 24.06.2020)
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